Unauffällig, grau, ziemlich groß und mucksmäuschenstill hängt sie in unserer Fertigung: Diese Glocke. Angebracht in ca. vier Metern Höhe, lugt ein langer Klöppel aus ihrem Inneren hervor. Außen und erhaben sind die Lettern B.V.G. zu sehen. Sie stehen als Kürzel für den "Bochumer Verein für Bergbau und Gußstahlfabrikation". Im Inneren der Glocke entdeckten wir - vermutlich die Seriennummer - "2009". Die große Frage war: Wann und wieso ist diese Glocke zu uns gekommen? Was können wir heute noch über sie herausfinden?
Eins nämlich war schnell klar: Alt muss sie sein, schließlich kann sich nicht mal mehr unser Seniorchef an ihre Anschaffung erinnern. "Seit ich hier bin, gibt es auch diese Glocke. Ich denke, sie ist mindestens 100 Jahre alt", sagt Dietrich Alberts.
Damit könnte er ganz richtig liegen, womöglich ist sie sogar noch älter (Herstellungszeitraum ca.1850-1900). Das ergaben unsere Recherchen im historischen Zentrum des Deutschen Werkzeugmuseums in Remscheid. Hier sagte man uns, dass wir zunächst mal herausfinden müssten, ob unsere Glocke aus Stahl oder Bronze sei.
Also stieg unser Kollege auf eine Leiter und feilte einmal am Glockenrand entlang. Er blieb schwarz. Das bedeutet: Unsere Glocke ist aus Stahl und damit ein wertvolles und seltenes Exemplar, denn sie zählt offenbar zu den ersten Glocken, die aus Gußstahl und nicht aus Eisen oder Bronze hergestellt wurden. Mit einer Glocke begann die Geschichte des Stahlformgusses. Durch eine Glocke bewies Jacob Meyer die Echtheit seiner Erfindung, mit der er seinen Konkurrenten Alfred Krupp sogar zunächst überflügeln konnte.
"Zweck dieser Glocke war, das Pausen- und Feierabendsignal zu geben sowie zu läuten, wenn ein Antriebsriemen von der zentralen Antriebswelle gerutscht war", so Dietrich Alberts. "Dann mussten alle Maschinen angehalten werden, um den Riemen wieder auf die Welle zu legen." Wer zum Spaß läutete, musste in eine Kasse zahlen, die später bei Feiern geräubert wurde.